Treibt Frank Turner Tränen in die Augen – John K. Samson


Frank Turner über “Provincial” von John K. Samson:
“Ich war ein Teenager und ein Punk, als ich John K. Samson zum ersten Mal singen hörte. Die erste Weakerthans Platte “Fallow” bekam ich 1997 kaum mit, weil sie unter einer Lawine von viel lauteren Alben, die ich damals hörte, unterging. Das nächste Album “Left & Leaving” aber verschlug mir den Atem und pustete die Spinnenweben aus meinem Hirn. Ich war auf Tour, saß im Van und hörte wochenlang nichts anderes. Wo kam diese Stimme her? Und wo ging sie hin? Elf Jahre und viele Kilometer später war ich auf einem Konzert der Weakerthans in Hamburg. Dort freundete ich mich mit der Band an. John erzählte mir, dass er gerade an einer Solosache arbeitet. Als wir uns das nächste Mal trafen, es war in Winnipeg kurz darauf, gab er mir eine CD mit seinen neuen Songs. Manchmal überraschen einen die Künstler, mit denen man eh schon absolut vertraut ist, doch nochmal und unterstreichen ihre Brillanz indem sie dich an das Gefühl erinnern, dass du hattest als du ihre Stimme zum allerersten Mal gehörst hast. Genau das macht “Provincial”, das Soloalbum von John K. Samson.
Ich komme aus einer kleinen Stadt im ländlichen Süden von England, und als jemand von dort sollte mich eine Platte über vier Straßen in den Weiten von Manitoba, Kanada vielleicht nicht so sehr berühren. Es ist John’s Verdienst, dass sie es trotzdem tut. Auf der Reise durch das Herz seiner Heimat deckt er genug Wahrheiten über das menschliche Wesen auf, dass jeder der sich schonmal alleine, komisch, verloren, kalt, warm oder geliebt gefühlt hat, damit verbunden fühlen kann. Oder, anders gesagt: das hier ist das einzige Album, das mit einem Song über GPS beginnt, das mir eine Träne ins Auge treibt.
John erzählt einzigartige Geschichten, von alten Autos, eisigen Landschaften und dem “Und-Zeichen”. Ich war schon immer fasziniert von seiner Art, die Sprache zu nutzen. Sein Vokabular und seine Bilder sind so weit weg von den üblichen, ausgelutschten Rock’n’Roll Klischees. Mir fällt niemand anderes ein, der den Text einer Online-Petition für einen vergessenen Hockey-Spieler singen könnte, und mich dabei sofort überzeugt, selbige sofort zu unterzeichnen. Aber ich möchte hier nicht in die Falle tappen und John nur für seine Texte preisen. Die Musik auf “Provincial” ist genauso stark wie die Lyrics. Die krächzenden Bläser auf “Highway 1 East” lassen dich in das Bild sinken, das filigrane Gitarrenspiel auf “Grace General” zieht dich weiter Richtung Horizont während die leichteren Momente von “Cruise Night” und “When I Write My Master’s Thesis” das Herz für den langen Weg durch die kalte Nacht bereit machen.
Das Alles verbindet sich zu einem vorzüglichen Gemälde von, nunja, “Etwas”. Und für mich ist das ein Zeichen für ein großes Stück Kunst. Ich kann gar nicht genau aufschreiben, worum es bei diesem Album geht, oder wo es mich hinträgt, oder was es mich fühlen lässt. Am Ende sind alle Worte nicht genug, und alles was ich machen kann ist die Platte nochmal zu hören. Der Gipfel des Ganzen ist, für mich, der Song “Heart of the Continent”. Das ist einer von diesen Songs bei dem sich ein Songwriter, wie auch ich einer bin, denkt: warum verdammt nochmal ist mir das nicht eingefallen? Obwohl ich genau weiß, dass ich den Song so niemals hätte schreiben können. Die ansteigende Melodie, die simplen Wörter über Desorientierung und Verlust, und das abschließende Bild über das Verlorensein in der “geknitterten Dunkelheit” ? das spricht in mir etwas über mich selbst an, dass ich niemals in Worte fassen könnte. “Provincial” ist ein Album, dass ausgekostet und genoßen werden muss. Wie Springsteens “Nebraska” erzählt es die Geschichten eines Landstrichs, der sonst ein viel zu weißer Fleck auf der Karte der Popmusik ist. Ich bin froh, John zu meinen Freunden zählen zu dürfen, aber noch froher “Provincial” in meinem Leben zu haben. Du brauchst es auch.”
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Post Author: MMagazin

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