In den 1950er Jahren, als das Fernsehen noch ganz jung und das europäische Bewusstsein noch in den Kinderschuhen steckte, wurde eine wahrhaft große europäische Idee geboren: Der Grand Prix Eurovision de la Chanson Européene. Was anfangs noch ein bisschen ausschaute wie eine europäische Kopie des bereits erfolgreichen Sanremo Musik Festivals, entwickelte sich schnell zu einem eigenen TV-Erlebnis mit großen Dimensionen.
Einer Art Leistungsschau der großen damals sieben Teilnehmerländer, ein technisches und ästhetisches Spektakel. Dass das Starterfeld einmal auf über 40 Teilnehmer anwachsen sollte, dass osteuropäische Länder zu den Teilnehmern zählen würden, das konnte niemand ahnen, als mitten in der Wirtschaftswunderzeit am 24. Mai 1956 in Lugano das erste Mal die Scheinwerfer aufleuchteten. Heute ist dieser Wettbewerb eines der größten TV-Ereignisse der Welt: weit über hundert Millionen Zuschauer weltweit warten darauf, dass es für ihr Land heißt: “Twelve Points! Douze Points
! Zwölf Punkte!”.
“Douze Points” – das ist alles was zählt, alles, auf das die Teilnehmer hoffen – ein Begriff der mittlerweile in den Sprachgebrauch der Menschen in Europa eingeflossen ist. “Douze Points” – so heißt auch die Lounge, die das NRW-Forum, Ehrenhof 2, in seinem Caffè während der Laufzeit des Song Contests in Düsseldorf einrichtet. Dort gibt es alle Platten-Cover der Sieger der Grand Prix zu sehen und Videos aus der bislang 55-jährigen Geschichte des Eurovision Song Contest.
Es ist ein Gang durch die Geschichte der Nachkriegszeit. Die schwarz-weiß Filme aus den ersten Jahren des Wettbewerbs lassen uns staunen: da wartet im Hintergrund noch brav und wohlerzogen ein adretter Junge mit kurzer Hose und einem Blumenstrauß für die Sängerin. Tanzen und Gestikulieren war den Sängern verboten. Ein Dirigent und ein Orchester standen für jeden Sänger, jede Sängerin zur Verfügung.
In den folgenden Jahren ist der Grand Prix ein Spiegel der gesellschaftlichen Entwicklung. Politisch motivierte Boykotte und die Ausweitung des europäischen Gedankens sorgen für ein zwar schwankendes aber doch stetig anwachsendes Teilnehmerfeld. Die 60er Jahre hinterlassen auch hier ihre Spuren – France Gall gewinnt mit einem erotischen Text von Serge Gainsbourg, der bisher so nicht im Fernsehen gehört worden war (und erhält bezeichnenderweise aus den französischsprachigen Ländern keine Punkte). Der wachsende Zuspruch führt zu zahlreichen Regeländerungen, um dem großen Teilnehmerfeld und den veränderten technischen Möglichkeiten durch das Telefonvoting gerecht zu werden.
Zahlreiche Stars und Sternchen gründen ihre Karriere auf Auftritten beim Grand Prix – France Gall mit “Poupée de core, poupée de son” (1965), ABBA mit “Waterloo” (1974), Nicole mit “Ein bisschen Frieden” (1982) oder Lena Meyer-Landrut mit “Satellite” (2010). Ungezählt sind aber auch die Sänger, denen außer einem Auftritt beim Grand Prix nie wieder etwas geglückt ist.
Der starke Trend der teilnehmenden Länder, für den Grand-Prix Gruppen und Sänger nach dem Aspekt der größtmöglichen Publikumsverträglichkeit zu kreieren, hat in den 90er Jahren zu einem großen Authentizitätsverlust des Grand Prix geführt – die Teilnehmerzahl blieb zwar gleich, aber das Fernsehpublikum wandte sich ab. Ende 1990 Anfang 2000 wird dieser Trend durch zahlreiche Auftritte gebrochen, die den Mainstream des Song Contests oder die dort beschworene heile Welt auf die Schippe nehmen. Die von Guildo Horn, Stefan Raab, der furchterregend maskierten Hard-Rock-Band Lordi oder der transsexuellen Sängerin Dana International aus Israel waren Höhepunkte dieser Zeit. Vieles davon sieht man auf den Covern und in den Filmen. Manche Teilnehmer sind vergessen, andere bekannt und wenige wurden zu Kultfiguren.
Der Eurovision Song Contest, so sagt man, ist die wohl meist kritisierte Fernsehshow in Europa und zugleich die interessanteste. Er ist aber auch “und heute vielleicht mehr als je zuvor ” ein Mittel nationaler Repräsentation. Der Journalist Max Dax fragt sich im Katalogtext der Ausstellung, warum Demokratie im Chanson oft zu Irrungen und Wirrungen führt, Diktatur aber ebenfalls keine Lösung ist, wenn es im Kern um das Wah-ren von oder das Brechen mit Traditionen geht. Max Dax ist Journalist, Fotograf und Buchautor. Bis Ende 2010 war er Chefredakteur des Popmagazins Spex. Derzeit arbeitet er an seinem Romandebüt.
Die Douze Points Lounge ist vom 29. April bis zum 15. Mai dienstags bis sonntags von 11 bis 20 Uhr geöffnet; freitags bis 24 Uhr. Freitags gibt es zudem von 20 bis 24 Uhr zusätzlich ein musikalisches Programm. Natürlich ist im NRW-Forum Düsseldorf auch weiterhin die Ausstellung “Zeitgeist und Glamour” zu sehen mit Fotografien des Jet Sets der 60er und 70er Jahre – eine ideale Ergänzung zur Douze Points Lounge!
Eintritt / Katalog:
Der Eintritt in die Douze Points Lounge ist kostenlos. Der Eintritt in die Ausstellung “Glamour und Zeitgeist” kostet 5,80 Euro. Der kleine Kata-log zur Douze Points Lounge mit acht wunderbaren historischen Sieger-Covern auf Postkarten, einem Text-Leaflet kostet acht Euro und ist ausschließlich im Museum und in der Buchhandlung König erhältlich.
Die Geschichte des Eurovision Song Contest vom 29. April bis 15. Mai 2011 im Ehrenhof erleben
Pressedienst Stadt Düsseldorf
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