Hannes Wader feiert den 70jährigen Geburtstag – viele Glückwünsche


(MMB-intern) – Zu seinem Jubiläum haben zum einen junge Singer-Songwriter das Tribute-Album „heute hier, morgen dort – Salut an Hannes Wader“ aufgenommen, und zum anderen erscheint Ende August ein neues Album vom Meister Wader selbst.

Max Prosa, Bosse, Johannes Strate, Tiemo Hauer und Slime haben auch schon ihre Glückwünsche veröffentlicht, die wir aber leider nicht veröffentlichen dürfen.
Aber sicherlich könnt ihr si noch irgendwo lesen oder hören.

Es gibt sicher wenige Musiker, die sich und ihren Stil hierzulande beharrlicher der Verein-nahmung durch den Pop widersetzen als die Liedermacher. Was wäre einander auch wesens-fremder als der deutsche Liedermacher und die herkunftslose Popkultur? Reinhard Mey elekt-ronisch? Degenhart-Dub? Wecker ohne Piano? Ziemlich undenkbar!

Das galt zumindest, bis sich kürzlich ein gutes Dutzend ziemlich junger Künstlerinnen und Künstler in die Studios begab, um einem Mann zu huldigen, der nicht nur ihr Großvater sein könnte, sondern von allen deutschen Liedermachern auch sonst am puristischsten wirkt: Han-nes Wader. Pünktlich zu seinem 70. Geburtstag am 23. Juni widmen vierzehn alte, neue Fans dem Bielefelder Barden eine ganze Platte voller Interpretationen seiner Werke aus fast fünf Jahrzehnten Bühnenleben. Es ist ein Jubiläumsgruß voller Wertschätzung und Hingabe, der mehr will, als bloß ein paar verschiedene Künstler zum Ständchen zu bitten. Das Ergebnis heißt dementsprechend „Salut an Hannes Wader“, zusätzlich betitelt mit seinem größten Hit „Heute hier, morgen dort“. Das Ganze jedoch unterm Label Tribute-Album zu verkaufen, griffe deutlich zu kurz. Das Projekt ist schließlich mehr als eine reine Ehrerbietung, mehr auch als bloß Bewunderung eines bewundernswerten Kollegen. Es ist eine Respektsbekundung in vierzehn Akten, fast schon eine Liebeserklärung.

Dass es am Ende aber auch ein Stück weit Pop ist, liegt an den Gratulanten. Denn Hannes Wader, dieser lässig ergraute Überzeugungsmusiker mit der markanten Adlernase, er wird von seinen Epigonen nicht nur nachgespielt, geschweige denn schlicht kopiert, er wird vielmehr vom Nachwuchs (und einigen Platzhirschen) der deutschsprachigen Indie-Szene förmlich neu justiert. „Salut an Hannes Wader“ ist die Anpassung gut gereiften Liedguts aus bür-gerbewegten, friedensbewegten, studentenbewegten Aufbruchszeiten an die multioptionale Gegenwart mit ihren neuen Kommunikationsmitteln, Netzwerken und technischen Spielereien. Vorgetragen von Liedermachern 2.0, wie man heute sagen würde: frischen Musikern, die dem Alten seinen Platz zuweisen, ohne es in die Ecke des Überflüssigen zu setzen.

Sie heißen Philipp Poisel, Tiemo Hauer oder Max Prosa, sind zwar oft gar nicht so lange runter von der Schulbank, aber bereits Vollblutmusiker mit Herz und Hirn. Sie nennen sich Bosse, finn., Das Bierbeben und sind trotz längeren Überlebenskampfs im Popgeschäft noch immer nicht so abgebrüht, alle Ideale abseits der Verwertbarkeitskriterien vollends zu verdrängen. Es sind gediegene Akustikformationen wie die Weimar-Hamburg-Leipziger Alin Coen Band, die Hannes Waders optimistische Weiter-geht’s-trotzdem-Ballade „Abschied“ mit Cello, Besen und Coens loungiger Stimme zu Jazzpop modernisieren. Es sind zottelig-coole Beardos wie (Ingo) Pohlmann, der aus Waders vierzig Jahre alter Kiez-Prosa „Charley“ eine Art klingendes Roadmovie mit Westernstaub auf den Stiefeln zaubert.

Es sind aber auch Jungstars mit Poster-Potenzial wie Revolverheld-Sänger Johannes Strate, der den ebenso zornigen wie innerlich verletzten Fluchtsong „Unterwegs nach Süden“, von Wader einst im Licht der RAF-Hysterie verfasst, die auch ihn von der Bühne weg verhaftet hatte, zum getragenen Orchesterpop anschwellen lässt. Oder eingängige Elektro-Formationen wie Glasperlenspiel, die der melancholischen Wendezeitselbsterkenntnis „Traumtänzer“ eine Spielart digitalisierten Deutschrocks verpassen. Oder wesensverwandte Liedermacherinnen wie Anna Depenbusch, die dem Spaßfolk „Nach Hamburg“ mit fröhlichem Pfeifen die anar-chistische Unbeschwertheit der Hafenstraßen-Tage zurückgibt.

Hinzu kommen noch abstruser scheinende Übersetzer des Waderschen Liedguts: Die unver-wüstlichen Slime etwa, vor deren rustikalem Punkrock nicht mal der Evergreen „Heute hier, morgen dort“ sicher ist.

Und zuletzt, als Bonustrack, der Kastrierte Philosophen-Gründer und Delay-Produzent Matthias Arfmann alias Apfel S, der Waders zweiten Gassenhauer „Kokain“ szenegemäß ein paar technoide Break Beats unterjubelt.

Es ist, in einem Wort, ein buntes Sammelsurium, das nicht bloß Einzelteile kompiliert, sondern zu einem Ganzen verbindet. Mit mal werkgetreuen, mal umwälzenden Adaptionen, die bis auf wenige Ausnahmen wie Dota und die Stadtpiraten („Im Garten“) allesamt Samples, Sounds und Rechnertöne untermischen, um Hannes Wader, diesem streng akustischen Gitar-renvirtuosen mit der barocken Stimme, die Ankunft im digitalen Zeitalter ein bisschen zu er-leichtern. Trotzdem sind die 14 Stücke keine feindlichen Übernahmen zur Aufmerksamkeits-steigerung wie im Pop oft üblich, sondern tatsächlich Hommagen an einen Unbeugsamen der Liedermacherei.

Sie würdigen allerdings noch etwas anderes als einen Einzelnen: die überquellende, oft alter-tümliche, aber seltsam zeitlose Poesie des einzelgängerischen Troubadours mit kommunisti-scher Grundhaltung. Vielleicht haben sich deshalb so viele nicht die sarkastischen Werke à la „Tankerkönig“ oder „Frau Klotzke“ ausgewählt, sondern die zartere Lyrik bis zurück zum blumigen „Lied vom kleinen Mädchen“ aus dem Debütalbum „Hannes Wader singt…“, 43 Jahre nach der Veröffentlichung umgesetzt von Max Prosa, dessen eigene Eltern damals womöglich so alt waren wie der 90er-Jahrgang heute. Dass dennoch viel Wut und Energie, viel Unzufriedenheit, Renitenz und Realismus durch das „Salut an Hannes Wader“ weht, zeigt indes, dass seine Epigonen den alten Volkssänger, wie sich der Geehrte ironisch-trotzig selber nennt, wirklich verstanden haben.

Zum runden Geburtstag erinnern somit neue Liedermacher in angemessener Form an einen alten, dessen Lieder zwischen Erdverbundenheit und Fernweh, Rastlosigkeit und Heimatliebe pendeln. Der bis heute rebelliert, milder im Ton zwar, doch unverdrossen. Der eine Haltung hat, noch immer. „Ich danke Ihnen für die Unruhe“, so gratuliert der kaum mehr als halb so alte Ingo Pohlmann dem Urheber des eigenen Beitrags zu „Salut an Hannes Wader“. Denn der Mann, fügt er hinzu, „ist nicht zu faul für Schnauze voll…“. Und schon gar nicht zu alt. Für nichts und niemanden.

Hannes Wader Tribute – Hannes Wader 70 Jahre – schönes Album zum Jubiläum

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Post Author: MMagazin

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